Vorschlag für ein faires Auslosungssystem im Schach

Wenn bei einem Turnier wenig Teilnehmer sind, kann jeder gegen jeden spielen (Rundenturnier). Wenn die Teilnehmerzahl jedoch sehr hoch ist, geht das nicht mehr. Denn z.B. bei 100 Teilnehmern wären 99 Runden nötig. Es gibt daher verschiedene Auslosungs- und Wertungssysteme, mit denen auch in weniger Runden ein Sieger ermittelt werden kann.

Das bekannteste und fast ausschließlich praktizierte ist das Schweizer System. Es spielen in jeder Runde die Punktegleichen (soweit möglich) gegeneinander. Wer am Ende die meisten Punkte hat, ist Sieger. Das wirft aber 2 Fragen auf: Wer spielt gegegen wen in der 1. Runde, und wie reiht man am Ende die Punktegleichen (von denen es bei einer niedrigen Rundenzahl i.a. viele gibt)?

In Wahrheit betreffen beide Fragen alle Runden und hängen miteinander zusammen. Denn Punktegleiche gibt es in allen Runden, und die müssen erstens gegegeneinander gepaart werden, wofür die Wertung zu dem Zeitpunkt herangezogen werden muss, so dass zweitens auch in jeder Runde eine Reihung der Punktegleichen möglich sein muss.

Das Schweizer System unterscheidet dennoch zwischen den ersten und den späteren Runden. Am Anfang reiht das Schweizer System Punktegleiche nach der Elozahl, am Ende nach Buchholzpunkten als Zweitwertung. Dass ersteres unfair ist, liegt auf der Hand. Weniger offensichtlich ist, dass auch die Buchholzpunkte als Zweitwertung unbefriedigend sind - wie ich im Folgenden darlegen werde.

Tretmühle und böse Runde

Wenn man die Spielstärke bei einem Open ungefähr normalverteilt annimmt, kämpfen die meisten Spieler weder um den ersten noch gegen den letzten Platz, sondern schwanken um die 50% der Punkte. Wenn sie gewinnen, bekommen sie einen stärkeren Gegner, gegen den sie normalerweise verlieren. Dann bekommen sie wieder einen schwächeren Gegner, gegen den sie gewinnen, usw. Das ist die Schweizer-System-Tretmühle: Immer abwechselnd gewinnen und verlieren. Diese Oszillation wird durch den Farbwechsel noch verstärkt.

Um die Wahrscheinlichkeit gering zu halten, dass Spieler 2x öfter Weiß oder Schwarz haben, haben Turniere im Schweizer System fast immer eine ungerade Anzahl an Runden. Hat man nun in den geraden Runden die stärkeren Gegner und in den ungeraden die schwächeren, dann gewinnt man die letzte Partie und liegt weit vorn. Hat ,an aber in den geraden Runden die schwächeren Gegner, dann kann man sich in der letzten Runde auf eine Niederlage gefasst machen. Es kann daher taktisch geschickt sein, die vorletzte Partie absichtlich NICHT zu gewinnen, wenn man damit in der letzten Runde auf einen schwächeren Gegner trifft. Die letzte Runde des Schweizer Systems ist also mit gutem Grund verhasst. Es wird gewitzelt, man sollte die letzte Runde besser abschaffen.

Wenn Spieler A in der letzten Runde mit einem Sieg auf x Punkte kommt, und Spieler B kommt mit einem Remis auf x Punkte, dann kommt A's Gegner im Normalfall auf (x-1) Punkte, B's Gegner auf (x-½+½) Punkte. Die letzte Runde bringt dem Sieger also einen Buchholz-Bonus von 1 Punkt. Das ist nicht viel. Da kann der Erstrundengegner die Buchholzwertung viel mehr beeinflussen.

Aus diesem Grund wird diskutiert, als Zweitwertung den Rundenfortschritt zu nehmen. D.h. es werden die Punkte, die man in jeder Runde gehabt hat, zusammengezählt. Das ist aber genauso unfair, denn wenn jemand in der ersten Runde den stärksten Gegner hat, wird er gleich mal dafür bestraft.

Meiner Meinung nach sollte als Zweitwertung der Stand vor der letzten Runde genommen werden. Dadurch braucht jemand, der die vorletzte Runde gewinnt, sich nicht mehr wegen des starken Letztrundengegners grämen, denn wenn man in der letzten Runde verliert und von jemand anderem in der Erstwertung eingeholt wird, bleibt man in der Zweitwertung immer noch voran. Es ist also erstrebenswert, in allen Runden, auch in der vorletzten, ein möglichst gutes Resultat zu bringen. So soll ein Sport sein, schneller-höher-stärker statt Schieben und Taktieren.

Wenn der Stand vor der letzten Runde die Zweitwertung ist, kann man konsequent den Stand vor der vorletzten Runde zur Drittwertung machen usw.

Als "Letztwertung" für den Fall, dass 2 Spieler in allen Runden die selben Resultate erbrachten, bleibt immer noch die Buchholzwertung.

Halbieren, Vierteilen und andere Vollstreckungsmetoden

Das Schweizer System basiert darauf, dass immer Punktegleiche gegeneinander spielen. In der ersten Runde sind noch alle Spieler punktegleich. Also wer soll gegen wen spielen? Da die Spieler im Turnier noch keine Leistungen zeigen konnten, reiht man die Spieler an Hand ihrer Elozahl. Damit nichts dem Zufall überlassen wird, reiht man die Elolosen auch noch, und zwar alfabetisch. So hat man also eine Rangfolge, noch bevor das Turnier überhaupt begonnen hat. Der Elostärkste ist die Nummer 1, und der elolose Zacharias Zeppelin trägt die Laterne. Nun könnte man - ebenso wie man ja sonst im Schweizer System die Partiepunkte-Gleichen gegeneinander paart, nun die Elo-Gleichen gegeneinander paaren, also Nummer 1 gegen Nummer 2, 3 gegen 4 usw. Da heißt es dann aber, das würde die Spieler mit hohen Elozahlen benachteiligen, denn die müssten immer gegen Ihresgleichen, also gegen starke Gegner, antreten, währen Spieler mit weniger Elo immer schwache Gegner haben. D.h. ein schwacher Spieler käme mit weniger Leistung auf so viele Punkte wie ein starker Spieler. Oder noch schlimmer: Ein Spieler mit wenig Elo kann leichter Punkte machen als ein Spieler mit viel Elo. Das ist vielen ein Dorn im Auge, man will ja, dass die Besten am Schluss vorne sind.

Darum lässt man die erste gegen die Zweite Hälfte spielen: bei 100 Teilnehmern spielt 1 gegen 51, 2 gegen 52 usw. Damit tun sich die Favoriten am Anfang leicht, sie mähen alles nieder und landen auf den vorderen Plätzen. Aber der Pferdefuß ist offenkundig: Wenn wer bevorzugt wird, werden andere benachteiligt. In diesem Fall sind es die Spieler mit wenig Elo. Sie haben immer starke Gegner. Das ist unfair! Außerdem ist der Informationsgewinn gering, wenn in den ersten Runden nur geschlachtet wird. 1 gewinnt, 2 gewinnt, 3 auch... Wer von denen letztlich den Turniersieg einheimst, wird erst in späteren Runden ausgespielt. Aber so viele Runden gibt es im Schweizer System ja nicht. Deshalb kommt oft vor, dass die Nummer 1 der Endrangliste nicht gegen die Nummer 2, 3... der Endrangliste gespielt hat, u.dgl. Die Plätze sind nicht richtig ausgespielt, das Endergebnis weitgehend zufällig.

Prof. Adolf Sommerbauer entwickelte einen grundsätzlich anderen Ansatz: Er lässt gleich die Nummer 1 gegen 2 spielen usw. Um nicht wie oben beschrieben die Spieler mit viel Elo zu benachteiligen, führte er einen Bonus für Spieler mit viel Elo ein. Die härteren Gegner sollen mit dem Bonus kompensiert werden. Das System (SAP-System, SAP = Sommerbauer Adolf Paarungssystem(?)) ähnelt dem im Go gebräuchlichen McMahon-Systemi, aber es soll Unterschiede geben. Genaues weiß ich nicht, da die Sommerbauers die Details leider geheim halten. Angesichts dieses Umstandes fällt es mir schon grundsätzlich schwer, dieses System hochzuloben. Zudem denke ich, dass es genauso unfair ist, nur wieder in einer anderen Weise. Was ist z.B., wenn ein paar talentierte Elolose mitspielen. Die kämpfen dann gegeneinander, und selbst wenn sie besser spielen als die Eloisten, werden sie mangels Bonus in der Endrangliste sicher hinter ihnen liegen.

Man kann es drehen und wenden, wie man will. Irgendjemand wird immer benachtteiligt. Irgendjemand muss immer in den sauren Apfel beißen und gegen den Elostärksten spielen. Meine Lösung dafür ist einfach, aber sie wird vielen missfallen. Meiner Meinung nach sollten die Elozahlen (und auch die Spielernamen) bei der Auslosung überhaupt nicht berücksichtigt werden, sondern die erste Runde gehört nach Zufall ausgelost! Nur das ist gerecht. Wenn schon einer die Krot schlucken muss, dann wenigstens auf Grund einer Auslosung, die ihrem Namen gerecht wird, und nicht auf Grund einer SYSTEMATISCHEN Benachteiligung einer Spielergruppe durch das Paarungssystem.

Ein Zufallsfaktor im Paarungssystem ist vielen ein Graus. Es ist doch viel eleganter, wenn alles determiniert ist. Und der Turnierleiter möchte sich darauf berufen können, dass das Auslosungsprogramm auf Grund der Regeln X, Y und Z genau diese Paarungen ausspuckt und zwar reproduzierbar! Wenn der Zufall bei der Auslosung mitspielt, würde jeder den Turnierleiter verdächtigen, die Auslosung manipuliert zu haben. Die Versuchung, ein zweites Mal auf den Knopf zu drücken, ist tatsächlich nicht zu unterschätzen.

Aber vergleicht einmal mit den Rundenturnieren. Die gelten gemeinhin als faires Paarungssystem - gerade weil die Startreihenfolge gelost wird! Da käme keiner aud die Idee, die Startreihenfolge nach der Elozahl festzusetzen. Nur beim Schweizer System tut man es, weil man es dort so gewohnt ist.

Zusammenfassung

Ich plädiere für ein Schweizer System, das abgewandelt ist durch:

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